6.11.2015, 14.00 Uhr im Brentanopark/Inselgässchen Redebeitrag Olav Cunitz, Bürgermeister der Stadt Frankfurt am Main Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen. Ich freue mich sehr, dass wir uns heute in einem ähnlichen Kreis zusammengefunden haben wie vor knapp vier Monaten, als wir gemeinsam den Ersten Spatenstich zur Sichtbarmachung der früheren Rödelheimer Synagoge feierlich begangen haben. Ich habe damals darüber gesprochen, wie wir als Stadt Frankfurt am Main mit unserer Vergangenheit umgehen, insbesondere mit den dunkelsten Kapiteln der NS-Zeit. Ich habe das anhand einer Reihe von Beispielen aufgezeigt. Für mich ist aber die Quintessenz bei diesem Thema, dass wir immer wieder vor der Frage stehen werden, wie ein angemessener Umgang mit unserer Geschichte aussieht - und wir diese Frage auch immer wieder neu beantworten müssen. So schaffen wir verschiedene Formen und auch Orte des Erinnerns. Diese Erinnerung ist wichtig; sie hält unser Gedächtnis wach. Sie mahnt uns, eine Erinnerungskultur darf nicht statisch sein, sie muss sich verändern. Die Zeitzeugen gehen, die zeitliche Distanz zu den Ereignissen wächst. Damit wir uns der Lehren der Geschichte bewusst bleiben, müssen wir über das reine Erinnern hinausgehen. Erinnern kann und darf für die Gesellschaft nie ein formaler Akt sein. Erinnern heißt stets auch deuten. Wir müssen uns dafür mit der Geschichte auseinandersetzen. Hier in Rödelheim geht es um die Sichtbarmachung eines Teils der Ortsgeschichte, die weit über die 12 Jahre der NS-Diktatur hinausgeht. Die jüdische Gemeinde war über viele Jahrhunderte hinweg ein wesentlicher Teil der Rödelheimer Geschichte. Das sollte ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Mitbürger. Indem hier nun der Grundriss der früheren Rödelheimer Synagoge sichtbar gemacht wurde, ist ein würdiger, ein zugleich neuer und alter Ort als Gedenkstätte entstanden. Das seit dem Jahr 1979 hier bestehende Mahnmal wird ergänzt und erweitert. Der Thorastein verweist auf die ursprünglich Nutzung des Ortes. Die Stele personalisiert die grausamen Schicksale und macht aus den Opfern wieder Menschen mit Namen. Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement, insbesondere natürlich der Initiative "Synagoge Rödelheim", aber auch dem Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim - namentlich Herrn Dr. Armin Kroneisen -, allen anderen Initiativen, Firmen, Stiftungen, den beiden christlichen Kirchengemeinden, dem Ortsbeirat und allen Bürgern, die hierzu beigetragen haben. Auch wir als Stadt Frankfurt am Main haben einen kleinen Beitrag geleistet und ich muss sagen, ich bin sehr erfreut, was daraus geworden ist und wie die ehemalige Rödelheimer Synagoge nun wieder sichtbar gemacht wurde. Doch es gibt auch eine Ebene, die über die bauliche neue Gedenkstätte hinausgeht. In der Ankündigung der heutigen Veranstaltung lautet ein Satz:. "Aus der Mahnung vor Misstrauen, Ausgrenzung, Diffamierung und Hass muss der Aufbruch führen zu Begegnungen und zum respektvollen Zusammenleben der Religionen." Noch wichtiger als die Erinnerung ist das Begreifen der Lehren aus der Geschichte und die Schlüsse, die wir daraus ziehen; sozusagen die Umsetzung ins tägliche Leben. Wir müssen uns auch mit unserer Gegenwart auseinandersetzen. Diese Verpflichtung wird von Tag zu Tag größer, da gegenwärtig eine enorm hohe Zahl von Geflüchteten aus verschiedenen Ländern zu uns kommt und nicht jeder bei uns diesen Menschen auf angemessene Art und Weise begegnet. Wir dürfen eben kein Misstrauen, keine Ausgrenzung, keine Diffamierung und keinen Hass zulassen. Wir müssen das respektvolle Zusammenleben der Menschen, unabhängig von deren Herkunft und Hautfarbe, Geschlecht und Religion fördern. Wir müssen Sie den häufig traumatisierten Flüchtlingen helfen, das bisher Erlebte hinter sich zu lassen. Und wir müssen Ihnen die Hand ausstrecken. Wir können vielleicht nicht die Situation in ihren Herkunftsländern unmittelbar ändern. Aber was wir alle tun können, ist die Lage der Flüchtlinge hier bei uns zu verbessern und ihnen die Integration vor Ort. erleichtern Was mich sehr hoffnungsvoll stimmt ist die Tatsache, dass wir in den vergangenen Monaten zweierlei Entwicklungen in Frankfurt und in ganz Deutschland beobachten konnten: Zunächst stellte uns die schiere Zahl der Flüchtlinge, die in kürzester Zeit in unser Land kamen, vor große Herausforderungen. Immer wieder wurden bisherige Prognosen nach oben korrigiert. Zugleich wuchs die Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung mit Menschen verschiedener Kulturkreise fanden sich zusammen, quer durch Generationen und über die Geschlechtergrenzen hinweg. Doch obwohl die Herausforderung zwar gewaltig ist, bietet sie zugleich die Chance, dass daraus eine große Bereicherung für uns alle erwächst: in kultureller, in wirtschaftlicher und auch in menschlicher Hinsicht. Frankfurt ist durch Zuwanderung groß und stark geworden. Frankfurt hat immer von seiner Vielfältigkeit profitiert. Auch daran sollte uns die neue alte Rödelheimer Synagoge. erinnern. |